Die neue Anwurfregel aus der Sicht des Angreifers

und eine kleine "versteckte" Regeländerung

Mit dem 1. Juli 2022 sind die neuen IHF-Regeln in Kraft getreten. Insgesamt hat die IHF vier Regeländerungen angekündigt. Eine davon, und wahrscheinlich die bedeutendste, ist die neue Anwurfregel. Bei der Einführung dieser neuen Regel ist es auch zu einer kleinen "versteckten" Regeländerungen gekommen, dazu aber später. 

Die Gültigkeit der neuen Anwurfregel und die neue Spielfläche

Bei der Einführung der neuen Anwurfregel hat die IHF den Kontinentalverbänden (z.B. EHF) und den Nationalverbänden (z.B. ÖHB) regeltechnisch die Wahl gelassen, ob die Verbände die Einführung der neuen Regel in ihre Meisterschaften vornehmen oder nicht. Die IHF hat lediglich bestimmt, dass in den "professionellen Handballligen" die Umsetzung der neuen Regel verpflichtend ist. 

Da die neue Anwurfregel eine kreisförmige  Anwurfzone mit einem Durchmesser von 4 Metern am Spielfeld voraussetzt, ist die Option auf die Umsetzung der neuen in der Regel 1:9  (Spielfläche) festgehalten: 

 

Hinweis: Die Anwurfzone ist für IHF-Veranstaltungen und professionelle Handballligen der Männer und Frauen verpflichtend und für Kontinentalföderationen und alle anderen von Nationalverbänden organisierten Veranstaltungen optional.

 

Nach aktuellem Stand (10.07.2022) wird die neue Anwurfregel in Österreich in den folgenden Liegen umgesetzt: 

  • HLA - Meisterliga
  • WHA - Meisterliga
  • ÖHB - CUP (ab Viertelfinale). 

Alle anderen Bundes- und Landesbewerbe werden nach derzeitigem Stand mit der alten Anwurfregel gespielt. 

 

Der Grund für die optionale Umsetzung der neuen Anwurfregel liegt wohl darin, dass sich in der Mitte der Mittellinie ein Kreis mit einem Durchmesser von 4 Metern befinden muss (Anwurfzone) und nicht alle Sporthallenbetreiber die Möglichkeit haben, diese Anwurfzone ohne zusätzlichen Aufwand anzubringen. 

Quellenangabe Bilder:

Bild 1 / IHF-Regelbuch Seite 9

alle anderen Bilder / Screenshots aus den IHF-Videos "IHF_RULE_INTERPRETATION_NEW_RULE" 

Bild 1 - Spielfläche mit der Anwurfzone


Die Änderungen für die angreifende Mannschaft - Zeitpunkt des möglichen Anpfiffes

Die Änderungen betreffen grundsätzlich nur den ausführenden Spieler. Alle anderen Angriffsspieler auf der Spielerfläche dürfen weiterhin die Mittellinie überqueren nachdem der Schiedsrichter den Anwurf angepfiffen hat. Die einzige Neuerung für die Mitspieler des Werfers  besteht allerdings darin, dass sie die imaginäre (nicht sichtbare) Mittellinie in der Anwurfzone bereits vor dem Anpfiff des Schiedsrichters überqueren dürfen.

 

Regel 10:3b

Die Mitspieler des Werfers dürfen die Mittellinie nicht vor dem Anpfiff überqueren, es sei denn, sie befinden sich innerhalb der Anwurfzone (15:6

 

Wann darf der Anpfiff durch den Schiedsrichter erfolgen?

 

Exkurs alte Anwurfregel

Bei der alten Anwurfregel muss der Werfer mit einem Fuß die Mittellinie  berühren (1,5 Meter links und 1,5 Meter rechts vom Mittelpunkt der Spielfläche), um die Freigabe für die Ausführung des Anwurfes vom Schiedsrichter (Anpfiff) zu erhalten. Dabei darf der Werfer mit dem anderen Fuß die Mittellinie nicht überqueren. Des Weiteren ist eine kurze Stoppbewegung des Werfer die Voraussetzung für die Freigabe des Anwurfes durch die Schiedsrichter.

 

Bei der neuen Anwurfregel bekommt der  Werfer die Freigabe zur Ausführung des Anwurfs (Anpfiff durch den Schiedsrichter) wenn er zumindest mit einem Fuß die Anwurfzone betreten hat, wobei sich auch der Ball innerhalb der Anwurfzone befinden muss!

 

Regel 10:3b

Der Anpfiff durch die Schiedsrichter kann erfolgen, wenn sich der Ball innerhalb der Anwurfzone befindet und der Werfer mindestens einen Fuß innerhalb der Anwurfzone hat.

 

 

Bild 2 - Der Werfer befindet sich zwar korrekterweise mit einem Fuß innerhalb der Anwurfzone, da sich aber der Ball noch außerhalb der Anwurfzone befindet, darf der Anwurf nicht angepfiffen werden!

Bild 3 - Sowohl der Werfer als auch der Ball befinden sich innerhalb der Anwurfzone. Anpfiff durch den Schiedsrichter möglich!


Die Änderungen für die angreifende Mannschaft - Durchlaufen erlaubt

Die Regel 10:3b besagt, dass der Werfer bei der Anwurfausführung nicht mehr stehen bleiben muss, allerdings wird explizit geregelt, dass der Werfer dabei nicht springen darf.

 

Regel 10:3b

Der Anwurf kann im Laufen ausgeführt werden. Es ist nicht erlaubt, bei der Ausführung des Anwurfs zu springen.

 

An dieser Stelle muss beachtet werden, dass ein Bodenkontakt des Werfers bei der Wurfausführung nicht mehr erforderlich ist. Der fehlende Bodenkontakt ist erlaubt, wenn dieser beispielsweise aufgrund der Laufbewegung entsteht. Solch einen fehlenden Bodenkontakt sieht man in der nachfolgenden Bildreihe. 

Bild 4a - Der Werfer bekommt den Ball zugespielt

Bild 4b - Obwohl kein Bodenkontakt gegeben ist, dürfen die Schiedsrichter der Anwurf anpfeifen und der Werfer darf den Anwurf ausführen


Hingegen muss genau beobachtet werden, ob der Spieler eine aktive Sprungbewegung durchführt. In diesem Fall darf der Anwurf nicht angepfiffen werden bzw. erfolgt die Sprungbewegung nach dem Anpfiff durch den Schiedsrichter, ist auf Freiwurf für die gegnerische Mannschaft zu entscheiden. 

Bild 5a - Der Werfer führt aktiv eine Sprungbewegung durch

Bild 5b - Im Gegensatz zum Bild 4b ist dieser fehlende Bodenkontakt nicht erlaubt. 


Die Änderungen für die angreifende Mannschaft - weitere wichtige Anmerkungen

Der Werfer hat nach dem Anpfiff 3 Sekunden Zeit den Anwurf auszuführen. Während dieser Zeit darf er in der Anwurfzone:

  • stehen bleiben
  • beliebig viele Schritte machen
  • sich innerhalb der Anwurfzone in jede beliebige Richtung bewegen. 

Nach dem Anpfiff und bis zur Ausführung der Anwurfes darf der Werfer nicht:

  • springen, um den Wurf auszuführen
  • mit irgendeinem Körperteil die Anwurfzone verlassen
  • den Ball prellen. 

An dieser Stelle schauen wir uns an, ab welchem Zeitpunkt der Anwurf als ausgeführt gilt. Das Regelwerk sieht zwei Situationen vor:

 

1. Wenn der Ball die Hand des Werfers UND die Anwurfzone mit vollen Umfang verlassen hat 

ODER

2. Wenn der Ball die Hand des Werfers verlassen hat und ein anderer Mitspieler den Ball innerhalb der Anwurfzone berührt. 

 

Der Anwurf darf innerhalb von 3 Sekunden 

  • in jede beliebige Richtung ausgeführt werden,
  • es darf ein Spieler außerhalb der Anwurfzone angespielt werden oder
  • ein Mitspieler innerhalb der Anwurfzone. 

Alle Vergehen des Werfers oder seiner Mitspieler, die nach dem Anpfiff des Anwurfes erfolgen, führen zu einem Ballverlust (Freiwurf für die gegnerische Mannschaft).

 

Beispiel 1: 

Der Werfer und der Ball befinden sich innerhalb der Anwurfzone. Der Schiedsrichter pfeift den Anwurf an. Unmittelbar nach dem Anpfiff prellt der Werfer den Ball innerhalb der Anwurfzone. Richtige Entscheidung = Freiwurf für die gegnerische Mannschaft

 

Begeht der der Werfer oder seine Mitspieler ein Vergehen vor dem Anpfiff der Schiedsrichter, müssen etwaige falsche Aufstellungen der ballbesitzenden Mannschaft durch die Schiedsrichter korrigiert werden. 

 

Beispiel 2:

Der Werfer und der Ball befinden sich innerhalb der Anwurfzone. Bevor der Schiedsrichter den Anwurf anpfeifen kann, springt der Werfer und führt den Wurf aus. Richtige Entscheidung = Korrektur und Anpfiff zur Anwurfausführung. Time-Out nicht verpflichtend! 

Der Teufel steck im Detail - Anwurfausführung

Wie bereits oben erwähnt, darf der Werfer die Anwurfzone nicht verlassen solange der Anwurf nicht ausgeführt worden ist. Bei einem zu frühen Verlassen der Anwurfzone durch den Werfer, lautet die Entscheidung der Schiedsrichter Freiwurf für die gegnerische Mannschaft. 

 

Beispiel 3

Der Werfer möchte den Anwurf im Laufen ausführen und passt den Ball innerhalb der Anwurfzone zu seinem Mitspieler  in dem er den Ball vertikal in die Höhe spielt, damit sein Mitspieler den Ball im Lauf "abholen" kann. Der Ball ist bis zum Kontakt mit dem Mitspieler geschützt und darf vom Gegner nicht berührt werden. 

Durch das hohe Tempo verlässt der Werfer die Anwurfzone, bevor sein Mitspieler den Ball berühren konnte. 

 

Richtige Entscheidung: Freiwurf für die gegnerische Mannschaft!

 

 

Bild 6: Werfer hat die Anwurfzone verlassen bevor der Ball ins Spiel gebracht wurde. Der Ball ist noch innerhalb der Anwurfzone. Der Ball wurde nicht vom Mitspieler berührt. Richtige Entscheidung: Freiwurf für die gegnerische Mannschaft!

Regel 10:3

Der Werfer darf die Anwurfzonenlinie mit keinem Körperteil überschreiten, bevor der Wurf als ausgeführt gilt.

 

Der Anwurf gilt als ausgeführt, wenn

 der Ball zunächst die Hand des Werfers verlassen und anschließend die Anwurfzonenlinie vollständig überquert hat oder

 der Ball gepasst und von einem Mitspieler berührt oder kontrolliert wurde, obwohl dies innerhalb der Anwurfzone erfolgt ist. 


Die "kleine versteckte" Regeländerung

Im Rahmen der Einführung der neuen Anwurfregel hat die IHF entschieden, dass der Anwurf innerhalb der Anwurfzone nur in einer aufrechten Position des Werfers ausgeführt werden darf. Diese Änderungen hatte auch indirekt den Einfluss auf die Ausführung der anderen Würfe.

 

Bis zum 1. Juli 2022 durfte grundsätzlich jeder Wurf (Freiwurf, Anwurf, Abwurf, Einwurf, 7-Meter-Wurf)  in einer beliebigen Position des Werfers ausgeführt werden, solange der Werfer mit einem Fuß ununterbrochen Bodenkontakt hatte (z.B. sitzend! Ausnahme Abwurf - auch vor dem 1.Juli 2022 durfte der Tormann bei der Ausführung des Abwurfes springen).

In der Praxis traten solche Situationen sehr selten auf,  wenn überhaupt dann bei einer schnellen Freiwurfausführung. 

 

Mit der Einführung der neuen Anwurfregel wurde die Regel 15:1 mit folgendem Regeltext ergänzt, wobei diese Regelstelle in der öffentlichen Diskussion (Medien etc.) bisher nicht viel Beachtung geschenkt wurde.

 

Hinweis: Vor der Ausführung eines Wurfs (außer bei einem Abwurf) muss sich der Werfer in einer aufrechten Position befinden, d. h. außer den Füßen darf kein anderer Körperteil Kontakt mit dem Boden haben. 

 

Diese Regel gilt unabhängig davon, ob in einer bestimmten Meisterschaft die neue Anwurfregel angewendet wird oder nicht. Ab 1. Juli 2022 darf nur noch der Tormann den Abwurf in einer z.B. liegenden Position ausführen. Alle anderen Würfe (Freiwurf, Anwurf, Einwurf, 7-Meter-Wurf) müssen in einer aufrechten Position des Werfers ausgeführt werden.