Das Harz (Pickerl) ist mittlerweile aus dem Handball nicht mehr wegzudenken. Für Spieler ist es ein unverzichtbares Hilfsmittel, um den Ball besser unter Kontrolle zu halten oder publikumswirksam Tore, wie beispielsweise die sogenannten "Wuzzler", zu erzielen.
Regeltechnisch war die Verwendung von Harz bis zum Jahr 2016 in unserem Regelwerk nicht explizit geregelt. Das Handballregelwerk verbot jedoch bereits vor der Regeländerung 2016 jegliche Mittel im Spiel, die andere Spieler gefährden könnten.
Die entsprechende Regel 4:9 lautet (auch vor der Regeländerung 2016) wie folgt:
"Das Tragen von Gegenständen, welche die Spieler gefährden könnten oder mit denen sich Spieler einen unrechtmäßigen Vorteil verschaffen, ist nicht erlaubt. Dies betrifft z.B. Kopfschutz, Gesichtsmaske, Handschuhe, Armbänder, Armbanduhren, Ringe, sichtbares Piercing, Halsketten oder Ketten, Ohrschmuck, Brillen ohne Haltebänder oder mit festen Gestellen sowie alle anderen Gegenstände, welche eine Gefährdung darstellen könnten."
Mit der Regeländerung 2016 hat die IHF die bis dahin geltenden Interpretationen in das Regelbuch implementiert. Im Abschnitt "Guidelines und Interpretationen" des Regelwerks wird seit 01. Juli 2016 die Verwendung vom Harz mit dem Hinweis auf die Regel 4:9 wie folgt geregelt:
"Die Verwendung von Harz ist erlaubt, Harzdepots an den Schuhen sind zugelassen. Dies stellt keine Gefährdung des Gegners dar. "
Im ersten Satz wird klargestellt, dass die allgemeine Verwendung von Harz nicht verboten ist. Das Tragen von Harzdepots an den Schuhen ist erlaubt und wird nicht als gefährlich eingestuft. Im nächsten Satz wird allerdings festgehalten, dass Harzdepots auf der Hand oder am Handgelenk eine Gefahr für den Gegner darstellen:
"Nicht erlaubt sind Harzdepots an der Hand oder am Handgelenk. Sie stellen eine Gefahr für die Gegner dar, da das Klebemittel in deren Gesicht oder Augen gelangen könnte."
Darf ein abgedecktes Harzdepots an der Hand verwendet werden?
Da das Regelwerk nicht näher auf die Art von Harzdepots eingeht, kann festgehalten werden, dass alle Harzdepots auf der Hand oder am Handgelenk untersagt sind, unabhängig davon, ob sie abgedeckt sind oder nicht. Weiters führt die Regel 4:9 explizit Beispiele an, welche gefährlichen Gegenstände verwendet werden dürfen, fall sie abgedeckt sind.
Regel 4:9
"Flache Ringe, kleine Ohrringe und Piercing sind erlaubt, wenn sie abgedeckt sind und Spieler nicht gefährden."
Wie ist regeltechnisch vorzugehen, wenn unerlaubte Harzdepots verwendet werden?
In dieser Frage wird im Abschnitt "Guidelines & Interpretationen" direkt auf die Regel 4:9 hingewiesen. Die Regel 4:9 überträgt die Verantwortung über regeltechnisch konforme Ausrüstung aller Spieler an den Mannschaftsverantwortlichen. In der Regel ist das der Offizielle A.
"Der Mannschaftsverantwortliche bestätigt mit seiner Unterschrift auf dem Spielbericht...vor dem Spiel die ordnungsgemäße Ausrüstung aller Spieler. Stellen die Schiedsrichter nach Spielbeginn trotzdem eine unkorrekte Ausrüstung (nach Regel 4:9) fest, wird der Mannschaftsverantwortliche progressiv bestraft und der entsprechende Spieler muss die Spielfläche verlassen, bis der Mangel behoben ist. "
Beispiel 1:
Die Schiedsrichter stellen in der 5. Spielminute der ersten Halbzeit zum ersten Mal fest, dass der Spieler A7 ein Harzdepot auf dem Handgelenk trägt. Wie ist hier die regeltechnisch richtige Vorgangsweise?
Der Mannschaftsverantwortliche erhält eine progressive Strafe für die unterlassene Kontrolle der Spielerausrüstung seiner Spieler vor Spielbeginn. Spieler A7 muss die Spielfläche verlassen und darf die Spielfläche erst dann wieder betreten, nach dem er das Harzdepot entfernt hat.
Beispiel 1a:
Der Spieler A7 betritt die Spielfläche einige Minuten später, ohne das Harzdepot entfernt zu haben. Was sollten die Schiedsrichter jetzt unternehmen?
Im Abschnitt "Guidelines & Interpretationen" wird ein ausführliches Beispiel im Zusammenhang mit der Verwendung von Gesichtsmasken (Anm.: diese sind in jeglicher Form untersagt!) erläutert. Die IHF weist in ihrer Erläuterung darauf hin, dass es sich beim Beispiel "Gesichtsmasken" um eine Handlungsempfehlung für Schiedsrichter handelt und diese auf alle gefährlichen Gegenstände gemäß Regel 4:9 angewendet werden kann.
Da in unserem Beispiel eine Erstfeststellung bereits in der 5. Spielminute erfolgt ist, stuft das Regelwerk die Nichtbeseitigung des Mangels als ein provokatives Fehlverhalten des Spielers gemäß Regel 8:8a. Die Konsequenz lautet somit Hinausstellung für Spieler A7.
Beispiel 1b:
Zu Beginn der zweiten Halbzeit betritt der gleiche Spieler A7 die Spielfläche wieder mit einem Harzdepot am Handgelenk.
Die wiederholte Uneinsichtigkeit eines bestimmten Spielers im Zusammenhang mit der Regel 4:9 stuft das Regelwerk bereits als grob unsportlich und sieht gemäß Handlungsempfehlung eine Disqualifikation gemäß Regel 8:9 als angemessene Strafe vor.
Beispiel 2: (Sonderfall)
Die Schiedsrichter stellen bereits beim Aufwärmen fest, dass Spieler A7 ein Harzdepot am Handgelenkt trägt. Die Schiedsrichter informieren den Mannschaftsverantwortlichen über das Vergehen und ersuchen den Spieler A7, das Harzdepot zu entfernen. Kurz vor dem Anpfiff des Spiels befindet sich der Spieler A7 auf der Spielfläche. Die Schiedsrichter bemerken, dass das Harzdepot nicht entfernt wurde.
Da die Erstfeststellung durch die Schiedsrichter erfolgt ist und der Spieler aufgefordert wurde, das Harzdepot zu entfernen, ist das Verhalten des Spielers, wie im Beispiel 1a, als provokatives Verhalten gemäß Regel 8:8a einzustufen. Da das Spiel aber noch nicht begonnen hat (das Spiel ist noch nicht angepfiffen worden), handelt es sich hier um ein Vergehen, dass vor dem Spielbeginn stattgefunden hat . Daher darf gemäß Regel 16:11a nur eine Verwarnung als Strafe ausgesprochen werden.
Zusammenfassend
ERLAUBTE STRENGERE REGELUNGEN IN DEN NATIONALVERBÄNDEN
Das Regelwerk erlaubt den Nationalverbänden andere Regelungen im Zusammenhang mit der Verwendung von Harz zu erlassen.
"Nationale Verbände haben das Recht, für einzelne Kategorien abweichende Regelungen zu erlassen."
Dieses Recht wird auch vom Österreichischen Handballbund in Anspruch genommen. In den Durchführungsbestimmungen des ÖHB ist folgende, strengere, Bestimmung zu finden:
"Pickerldepots sind verboten, dies gilt auch für Pickerldepots auf den Schuhen."
Somit ist die Verwendung von Pickerl (Harz) in ÖHB-Bewerben nicht verboten, aber im Gegensatz zum IHF-Regelwerk dürfen in Österreich keine Harzdepots auf den Schuhen getragen werden.
Noch strenger ist die Regelung z.B. im Wiener Handballverband. Für die regionalen Bewerbe des WHV ist in der Meisterschaftsausschreibung folgende Regelung zu finden:
"In den Sporthallen der Gemeinde Wien ist bis auf Widerruf die Verwendung von Pickerl und ähnlichen Klebestoffen verboten! Das Anbringen von Pickerl auf Kleidung und Schuhen ist in allen Hallen verboten."
Da das IHF-Regelwerk hier abweichende Regelungen grundsätzlich erlaubt, können bei Verstößen gegen die nationalen, strengeren Bestimmungen die gleichen Sanktionen wie für die im IHF-Regelwerk geregelten Bereiche angewendet werden.
Andrei Jusufhodzic 26.09.2018